Gianfranco Pardi, Nagjma, 1999

Frankfurter Westend Galerie

 

Die der Vereinigung angeschlossene Frankfurter Westend Galerie hat sich zu einem Forum für italienische Künstler des 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt. Bedeutende Maler und Bildhauer wie Morandi, Melotti, Reggiani, Magnelli stellten hier erstmals in Frankfurt, einige sogar erstmals in der Bundesrepublik Deutschland aus. Lucio Fontana war 1970 eine Einzelausstellung gewidmet. Die erste Ausstellung mit Radierungen Giorgio Morandis fand im Oktober 1973 statt, im September 1978 folgte die zweite mit Ölbildern, Zeichnungen und Radierungen. Unter der Federführung von Trude Müller, der Leiterin der Galerie, gelang es, eine Schenkung der Schwestern Morandi an das Städel zu vermitteln: Sechs Radierungen des 1964 verstorbenen Künstlers wechselten von Bologna nach Frankfurt.

Piero Dorazio, Carla Accardi, Giulio Turcato, Achille Perilli, Antonio Sanfilippo und Pietro Consagra zählen zu der 1946 entstandenen Gruppe „Forma 1“, die sich gegen jede Form der figurativen Kunst wandte. Im Dezember 1987 fand auf Anregung der Frankfurter Westend Galerie auf der Darmstädter Mathildenhöhe eine Retrospektive unter dem Titel „Forma 1“ statt, zu der ein umfassender Katalog erschien. Auf große Resonanz stieß auch die zur gleichen Zeit veranstaltete Ausstellung der Gruppe in der Galerie.

1972 und 1976 wurden Plastiken des Bildhauers Arnaldo Pomodoro gezeigt. Die fragil anmutenden Skulpturen von Fausto Melotti, dessen Werk damals in Deutschland ganz unbekannt war, waren 1980 und 1985 in der Galerie zu sehen. Die Bemühungen des Künstlers, der Stadt Frankfurt eine fünf Meter hohe Skulptur zu schenken, scheiterten. Melottis Wunsch blieb jedoch nicht unerfüllt: ein führendes Frankfurter Unternehmen erwarb eine große Metallskulptur: das „Planetario“, das nun vor dem Eingang des Hauptgebäudes steht.

Werke von Giuseppe Santomaso waren dreimal (1975, 1981, 1986) in Einzelausstellungen in der Frankfurter Westend Galerie zu sehen. Die enge Beziehung des Malers zu seiner Heimatstadt Venedig läßt sich in seinen Bildern, die architektonische Bauelemente widerspiegeln, deutlich erkennen.

„Kopflandschaften“ hat der Mailänder Maler Enrico Della Torre eines seiner Ölbilder betitelt, die als phantasievolle, surreale Metaphern von natürlichen und psychologischen Prozessen beschrieben werden können. Viermal (Februar 1973, Mai 1979, Juni 1984 und Juni 1991) stellte Della Torre in der Arndtstraße aus.

Die Frankfurter Westend Galerie versteht sich nicht nur als Forum für Vertreter der klassischen Moderne, sondern bietet auch jungen und sehr jungen Künstlern die Möglichkeit, sich mit ihren Werken einem kunstinteressierten Publikum vorzustellen. Unter ihnen zeigten wir Enzo Esposito, Paolo Iacchetti, Tommaso Cascella, Arthur Kostner, Graziano Marini, Sonia Costantini, Vincenzo Satta, Alessandro Gamba und andere. 1999 zeigte die Frankfurter Westend Galerie neue Arbeiten von Gianfranco Pardi, dessen Werk gleichzeitig in einer großen Retrospektive, zu der auch ein Katalog erschien, im Frankfurter Kunstverein ausgestellt wurde.

Doch die Galerieräume in der Arndtstraße öffnen sich nicht nur italienischen Künstlern: auch deutschen Künstlern mit einer Verbindung zu Italien sind einige Ausstellungen gewidmet: z.B. „Deutsche Künstler in Florenz während des Krieges“, 1974, und „Italienbilder“, 1983.

Exil in Italien - dies ist ein bisher wenig beachtetes Kapitel der Zeitgeschichte unseres Jahrhunderts. Maler wie Eduard Bargheer, Werner Gilles, Max Peiffer Watenphul oder Heinrich Steiner waren im nationalsozialistischen Deutschland keine Verfolgten, litten aber unter Diffamierungen. Ihr freier Umgang mit Farbe und die Reduzierung der Form auf das Wesentliche stießen in ihrer Heimat auf heftige Kritik, und einige, unter ihnen Bargheer, wurden mit Ausstellungsverboten belegt. Obwohl dort der Faschismus seit 1922 an der Macht war, bot ihnen das Land noch einen gewissen Spielraum. Der breiteren italienischen wie auch der deutschen Öffentlichkeit blieben sie weitgehend unbekannt. Mit ihren Ausstellungen leistete die Frankfurter Westend Galerie einen Beitrag, um diese Künstler in Frankfurt einem größeren Publikum vorzustellen. 1999 wurde diese Reihe fortgesetzt mit einer Ausstellung zum Thema „Hans Kuhn und Italien“. Dazu erschien auch ein Katalog mit den Italien gewidmeten Bildern des Baden-Badener Künstlers.

Die Sehnsucht nach Italien besteht nach wie vor: Zu den jungen deutschen Künstlern, die Anregung und Inspiration in der südlichen Landschaft suchen, zählen u.a. Joachim Czichon, Jörg Eberhard, Edith Oellers, Deva Wolfram und Sandro Vadim.

Aus Anlaß der 1200-Jahrfeier der Stadt Frankfurt organisierte die Frankfurter Westend Galerie 1994 die Ausstellung „Italienische Kunst der Moderne in Frankfurter Privatbesitz“ und gaben unter demselben Titel einen Katalog heraus, der einen Überblick über Wirkungsgrad und Aktivitäten der Galerie als Kunstforum der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V. gibt.

(Aus einem Text von Katja Möhrle in der Broschüre 30 Jahre Tätigkeit, 1996.)